919-2019 – Deutschlands Einheit wurzelt in Sachsen-Anhalt

Einigkeit und Recht und Freiheit gehören zur „kulturellen DNA“ des sächsisch-anhaltischen Raumes. Der Liudolfinger Heinrich I. war der erste Nichtkarolinger auf dem ostfränkischen Thron. Sein Sohn Otto I. formte an Elbe und Saale die Basisregion des Reiches als eine die Kulturgrenzen überspannende Brückenlandschaft. Sächsisch-anhaltische Integrationskultur schuf Einigkeit über ethnische Grenzen hinweg. Im sächsisch-anhaltischen Gebiet aufgezeichnetes Recht begründete einen europäischen Rechtsraum, der kulturelle Gegensätze überwand. Auf dieser Basis entstanden die sächsischen Städte als Denkmäler der Freiheit einer selbstbestimmten Bürgerschaft in einer republikanisch geprägten Bündnissetradition der Hanse. Eike von Repkow, Martin Luther und die älteste und bedeutendste deutsche Sprachgesellschaft, die „Fruchtbringende Gesellschaft“, prägten durch Sprachbewusstsein die deutschen Nation. Ohne die Rückbesinnung auf sächsisch-anhaltische Traditionen bliebe die kulturelle Wiedervereinigung Deutschlands unvollendet!

Sachsen-Anhalt – Tradition als Motivation zur Verantwortung

Der multiethnisch getragene sächsisch-anhaltische Kulturraum wurde vom Land- und Lehnsrecht des Sachsenspiegels und dem Magdeburger Stadtrecht geprägt. Prinzipien der Teilhabe und der genossenschaftlichen Rechtsfindung waren grundlegend an der Entstehung der hochmittelalterlichen Siedlungslandschaft an Elbe und Saale beteiligt und strahlten von dort weit nach Europa aus. Die Traditionen der kommunalen bürgerschaftlichen Selbstverwaltung, des liberalen kaufmännischen Handels und der die Territorialgrenzen überwindenden Bündnispolitik der sächsischen Städte erinnern uns an heimatliche Wurzeln des Prinzips der verantwortlichen Mitbestimmung und einer republikanischen Identität als einem wichtigen Merkmal des spätmittelalterlich-sächsischen Selbstverständnisses. In unseren Städten frühe Denkmäler bürgerschaftlicher Mitbestimmung zur erkennen, ermöglicht es uns als Sachsen-Anhalter, demokratische Prinzipien als Teil unserer sächsisch-anhaltischen Kultur zu empfinden.  Auf dieser Basis wird der Wert des bürgerschaftlichen Verantwortungsbewusstseins zum Bestandteil des sächsisch-anhaltischen Heimat- und Wir-Gefühls.

Sachsen-Anhalt – Identifikation ohne Ausgrenzung

Die sächsisch-anhaltische Identitätsstiftung leitet sich nicht von einem einzelnen, dominanten und dynastisch geprägten Kernterritorium ab. Daher ist ihr die Nutzung von Grenzen als Basis für die Stiftung von Eigenständigkeit traditionell fremd. Im Zentrum der sächsisch-anhaltischen Identitätsstiftung steht das Bewusstsein einer gemeinsamen Geschichte, welche in einem polyzentrischen, sächsisch-anhaltischen Kulturraum, Werken der Literatur und Kunst, dem Wirken historischer Persönlichkeiten und den vielfältig gewachsenen sozio-kulturellen Beziehungen ihren Ausdruck findet. Verbindende Elemente sind die Zeugnisse der sächsisch-anhaltischen Geschichte in einer der reichsten Kulturlandschaften Europas, Elemente der niederdeutschen Sprache sowie die in Jahrhunderten entstandene enge Durchdringung und Verzahnung der kleinräumigen Zellen des sächsisch-anhaltischen Kulturraumes.

Sächsisch-anhaltischer Kulturraum – polyzentrisch, offen, vielfältig

Das Rückgrat des späteren sächsisch-anhaltischen Kulturraumes wird im Jahr 806 als polyzentrisches Raumgebilde mit drei Kernen um Magdeburg, Bernburg und Halle als Schöpfung Karls des Großen erstmals erwähnt. Unter den Ottonen erfolgte der gezielte Ausbau zu einer die Kulturgrenze der Elbe-Saale-Linie überschreitenden Brückenlandschaft. Die Askanier forcierten im Hochmittelalter unter Einbeziehung von eingewanderten Siedlern und einheimischer sächsischer und slawischer Bevölkerung den Ausbau eines speziell an die Bedürfnisse einer multiethnischen Umgebung angepassten sächsisch-anhaltischen Kulturraumes, der über verschriftlichte Rechtsnormen und eine regional geprägte niederdeutsche Sprache (Elbostfälisch) verfügte. Seine zugrunde liegende polyzentrische Struktur blieb durch die Integration des sächsisch-anhaltischen Raumes in die Strukturen des Reiches bis in die Gegenwart bewahrt und bildete die Grundlage für eine große Vielfalt dezentral organisierter kultureller Kleinräume, die als Experimentierfeld für Innovationen die strukturelle Basis für das „Land der Moderne“ schufen.

Sachsen-Anhalt – Wir-Gefühl durch gemeinsame Geschichte und Kultur

Sächsische und askanische Traditionen lassen sich nicht voneinander abgrenzen. Anhaltische Kultur ist Teil ihrer sächsischen Umgebung. Von der Ballenstedterin Uta von Naumburg bis nach Stendal, der Stadtgründung Albrechts des Bären, von der Harzburg Anhalt über Bernburg nach Dessau sowie von Bernburg nach Wittenberg führen Traditionslinien der Askanier. Sächsische Städtebündnisse verbanden im späten Mittelalter Magdeburg, Halle, Halberstadt, Quedlinburg und Aschersleben; Quedlinburg, Magdeburg und Merseburg galten und gelten als symbolträchtige Erinnerungsorte an die Ära der Ottonen. Regionale Dialekte mit Beziehungen zum niederdeutschen Sprachraum vermitteln Heimatgefühl. Ortsnamen erzählen von slawischen Bewohnern und flämischen Siedlern. Sächsisch-anhaltische Kultur stiftet Wir-Gefühl für ganz Sachsen-Anhalt!

Sachsen UND Anhalt – in ottonischer Tradition von den Askaniern gestiftet

Beide historischen Vorgängerländer, das Herzogtum Sachsen und das Fürstentum Anhalt, wurden beim Bernburger Erbfall im Jahr 1212 in der Tradition des ottonischen Herzogtums Sachsen und auf der Basis askanischer Herrschaftsrechte gestiftet. Im Jahr 1423/1425 gingen der sächsische Herzogstitel und der sächsisch-askanische Kurkreis Wittenberg auf die Wettiner über. Infolge völkerrechtlicher Vereinbarungen der Wiener Kongressakte und eines bilateralen Friedensvertrages mit dem Wettiner Friedrich August I. gelangten der sächsische Herzogstitel und das damit verbundene askanische Rautenwappen des Herzogtums Sachsen an den Hohenzoller Friedrich Wilhelm III. In seiner Funktion als neuer Landesherr des Herzogtums Sachsen gliederte der König von Preußen den Kurkreis um Wittenberg als identitätsstiftendes Territorium mit der Bezeichnung „Herzogtum Sachsen“ namensgebend in die 1815 neu konzipierte Provinz Sachsen ein. So wurden wichtige historische Gebiete des sächsisch-anhaltischen Kulturraumes wieder territorial vereint. Im Jahr 1946 ging das Land Anhalt in der es umgebenden und nach dem Zweiten Weltkrieg wieder eingerichteten Provinz Sachsen auf, die deshalb wenig später in Provinz und schließlich Land Sachsen-Anhalt umbenannt wurde. Die 1212 gestifteten Länder Sachsen und Anhalt wurden somit zum Land Sachsen-Anhalt vereint. Nach einer 778-jährigen Entwicklung prägte sich 1990 mit dem Bundesland Sachsen-Anhalt der sächsisch-anhaltische Kulturraum erstmals in seiner Geschichte als selbstbestimmtes politisches Territorium in einem demokratischen deutschen Bundesstaat aus.

Der kleine Unterschied – von „sachsen-anhaltisch“ zu „sächsisch-anhaltisch“

Sächsisch-anhaltisches Bewusstsein existierte noch im 17. Jahrhundert. Bis zu dieser Zeit wurde das Fürstentum Anhalt als Teil des sächsisch-niederdeutschen Kulturraumes wahrgenommen. Mit dem Untergang Magdeburgs im Dreißigjährigen Krieg und der als Folge dieses katastrophalen Konfliktes zu sehenden Ausschaltung des bürgerschaftlich geprägten Städtewesens als Träger sächsischer Traditionen gelangte der sächsisch-anhaltische Raum unter den dominanten Einfluss der Wettiner und Hohenzollern. Besonders im 18. Jahrhundert musste so die traditionelle sächsische Identität an Elbe und Saale aus politischen Gründen formal aufgegeben werden, um die Reste der kleinräumigen Eigenständigkeit dieser Region nicht weiter zu gefährden. Schließlich konnte nur das Land Anhalt eine staatlich-territoriale Kontinuität bewahren und so die Reste eines niederdeutschen sächsisch-anhaltischen Bewusstseins bis in die Gegenwart tragen. Mit der Gründung des Landes Sachsen-Anhalt hat Anhalt diese historische Mission erfüllt. Sächsisch-anhaltische Kultur kann sich nun wieder im Raum eines eigenständigen Bundeslandes als Teil eines geeinten Deutschlands frei entfalten!